Chronik der Hoffnung

Beitrag: Chronik der Hoffnung
von Theresa Kleinheinz
TOP.TIROL, November 2019, S 72

Sie weisen in ihrem Buch neben der Freiwilligenarbeit auch auf die erfreulichen Zahlen am Tiroler Arbeitsmarkt hin. Inwiefern besteht ein Zusammenhang zwischen Arbeit auf bezahlter und auf freiwilliger Basis?

JOSEF NUSSBAUMER: Die Entwicklung am Tiroler Arbeitsmarkt – gemessen an der Entwicklung der Arbeitsplätze – war in den letzten Jahrzehnten in der Tat bis in die Gegenwart sehr erfreulich. Noch nie in der Geschichte Tirols gab es so viele Menschen in Arbeit wie zurzeit. Vor allem Frauen profitierten in den letzten Jahrzehnten von dieser Entwicklung. Was die Freiwilligenarbeit betrifft, gilt es vor allem eines zu berücksichtigen: Freiwilligenarbeit sollte nicht primär bezahlte Arbeit ersetzen, denn sonst besteht die unmittelbare Gefahr von Ausbeutung. Dies ist in der Tat ein sehr heikler Punkt, denn Ausbeutung durch Freiwilligenarbeit sollte unter allen Um- ständen vermieden werden. Ganz wird sich dieser Tatbestand wohl aber nie vermeiden lassen. Umso wichtiger ist es, diesen Aspekt immer mit zu berücksichtigen und hellhörig zu bleiben. Gerade Frauen sind hier gefährdet.

Welchen Stellenwert messen Sie Freiwilligenarbeit in der Tiroler Gesellschaft bei?

Die Freiwilligenarbeit kann man in Tirol gar nicht überschätzen, denn ohne Freiwilligenarbeit würden viele gesellschaftliche und soziale Systeme einfach zusammenbrechen. Es gäbe kaum mehr eine Feuerwehr, kaum mehr eine Blasmusik oder einen Kirchenchor. Das Büchereiwesen in den Dörfern wäre nicht mehr aufrechtzuerhalten, zudem könnten viele Sportvereine ihre Aktivitäten nicht mehr er- füllen. Ganz zu schweigen von den vielen freiwilligen Diensten im Pflegebereich, seien es behinderte oder alte Menschen, die von Freiwilligenarbeit profitieren. Kurzum: Ein Tirol ohne die zehntausenden Tirolerinnen und Tiroler, die in der Freiwilligenarbeit aktiv sind, ist schlichtweg nicht vorstellbar. Dieser Tatbestand wird leider immer noch viel zu oft (auch medial) vergessen.

Labels wie FAIRTRADE sind in aller Munde. Welche Vorteile bringt es Betrieben, auf fairen Handel zu achten?

Das ist eine schwierige Frage, weil es wohl kaum möglich ist, faires Handeln direkt in Geldeinheiten zu bewerten. Aber Hand aufs Herz, wer möchte nicht als Konsument oder auch als Wirtschaftstreibender fair behandelt werden? Langfristig ist es wohl so, dass fairer Handel und faires Behandeltwerden sich gegen Unfairness durch- setzen. Kurzfristig mag das anders sein. So gesehen kann man wohl davon ausgehen, dass Fairness und somit auch FAIRTRADE sich langfristig auch ökonomisch lohnen und hoffentlich nicht erst im Himmel.