Bunte Bibliothek – Unser kleines Dorf

Rezension: “Unser kleines Dorf”
von Alexandra Ivanova
Bunte Bibliothek

In der Zeitung, im Fernsehen und im Alltag wird oft von „Globalisierung“ gesprochen. Jeder und jede von uns scheint im Mittelpunkt des Weltgeschehens zu stehen und an der globalen Vernetzung teilzunehmen. Unabhängig davon, ob wir die Globalisierung gut finden oder eher ihre Nachteile wahrnehmen, sie gehört schon zu unserem Leben und bestimmt unser Verhalten.

Nur wenige von uns werden jedoch eine genaue Erläuterung geben können, was die Globalisierung eigentlich ist und worin ihr Einfluss auf unser Leben besteht. Noch schwieriger wird es bei Fragen wie: Wie beeinflussen wir im Alltag die entfernten Gebiete der Welt und die Menschen, die dort leben? Welche Rolle spielen wir selbst als Käufer in der globalen Wirtschaft?

Jenen von uns, die auf mögliche Antworten neugierig sind, kann die Veröffentlichung „Unser kleines Dorf“ von Josef Nussbaumer, Andreas Exenberger und Stefan Neuner sehr gut weiterhelfen. In diesem Buch schrumpft unsere Welt auf ein globales Dorf namens Globo mit 100 EinwohnerInnen. Dieses Gedankenexperiment birgt zwar manche statistische Vereinfachung in sich, erlaubt aber eine vielseitige und gleichzeitig leicht nachvollziehbare Darstellung von politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen unterschiedlichen Teilen des globalen Dorfes. Bereits der Blick auf die Entwicklung der Dorfbevölkerung in den letzten zwei Jahrhunderten kann manches über die Ressourcenknappheit verraten, die im Dorf Problem Nummer eins ist. Da immer mehr Menschen, und im Trend immer mehr ältere Menschen unser Dorf bewohnen, werden die Ressourcen immer knapper und die Versorgung gestaltet sich immer schwieriger. Die Autoren erläutern jedoch sehr anschaulich, dass die Ressourcenknappheit nicht allein von der Bevölkerungszahl abhängt. Auch die Art der Verteilung und der Lebensstil der Bewohner spielen eine große Rolle. Würden alle Menschen im heutigen Globo denselben Lebensstil führen, wie die 12 Menschen in jenem Dorfteil, der für Europa steht und die 5 Menschen in „Nordamerika“, wären die Ressourcen schon längst erschöpft. Die Wahrnehmung der Grundrechte des Menschen auf Unterkunft, Wärme sowie ausreichende Nahrung findet im 21 Jahrhundert sogar noch seltener statt als das noch vor dem Zeitalter der Industrialisierung der Fall war. Die Teilhabe der afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Dorfbevölkerung am technischen Fortschritt und den Möglichkeiten der Informationsgesellschaft ist sehr gering bis gar nicht vorhanden. So leben im Subsahara-Afrika repräsentierenden Dorfteil immer noch 8 Bewohner und im Pendant für Asien sogar 18 Dorfbewohner ohne Strom. Ein weiteres Beispiel: 17 afrikanische Bewohner, 33 asiatische Bewohner sowie 4 lateinamerikanische Bewohner des Dorfes leben von weniger als 2 Dollar pro Tag, obwohl sie verglichen mit Menschen in Europa zweimal (Südostasien) oder dreimal so lang (Afrika) – und manche bereits seit frühem Kindesalter – arbeiten müssen. Warum aber steigen die Zahlen der Hungernden und Armen, der Menschen ohne Zugang zu Bildungs- und Gesundheitswesen trotz Demokratieexport und der Entwicklungshilfe seitens der westlichen Staaten weiterhin an? Was haben die Menschen in Europa und Nordamerika mit dem globalen Ungleichgewicht zu tun?

So unbedeutend sich ein Einzelner vorkommen mag, im Anthropozän ist der Mensch derjenige, der am stärksten auf seine Umwelt und seine Mitmenschen Einfluss ausübt. Somit trägt jeder und jede von uns heute eine enorme Verantwortung und birgt in sich ein nicht zu unterschätzendes Potenzial für die positive wie auch für negative Veränderungen in der Gegenwart und der Zukunft. Das Buch bietet zwar keine konkreten Lösungen, definiert jedoch durch die Fragestellungen und das anschaulich zusammengestellte Informationsmaterial einige mögliche Handlungsalternativen, die uns als Bürgern und Konsumenten zur Verfügung stehen.

Durch die anschaulichen Grafiken und Bilder erlaubt das Buch, die teils komplexen Hintergründe des Gedankenspiels vom globalen Dorf leicht nachzuvollziehen. Die Autoren haben überdies Zusatzmaterial erarbeitet, das insbesondere im Schulunterricht zum Einsatz kommen kann und teilweise auf der Webseite zum Buch abrufbar ist. Unter den bisher erschienenen Versuchen, die Welt als Dorf anschaulich zu beschreiben, ist Unser kleines Dorf sicherlich eine der empfehlenswertesten Publikationen.

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