Arbeits-los – Unser kleines Dorf

Rezension: “Die Welt besser machen”
von Peter Kaiser
Arbeits-los, etcetera, November 2011, Seite 66

Ins richtiges Verhältnis gebracht: “Der Tod eines Menschen: das ist eine Katastrophe. Hunderttausend Tote: das ist eine Statistik.” Dieser Satz entstammt einem makabren Kriegswitz von Kurtz Tucholsky aus dem Jahr 1932 und wurde sowohl von Josef Stalin, wie auch Adolf Eichmann in leicht abgewandelter Form (man spricht dann natürlich von Millionen Toten) zitiert. Was er in zynischer Wiese anschaulich macht, ist das Unvermögen des Menschen Kategorien zu empfinden, die numerisch sein Fassungsvermögen übersteigen. (In großen Dimensionen zu denken, ist hingegen kein Problem, scheint aber von der Empathie – siehe oben – zu entbinden). Die Masse anonymisiert und verhindert damit Anteilnahme.

Unser kleines Dorf ist ein Buch, dessen Inhalt uns an die Verpflichtung erinnert, verantwortungsbewusst und ethisch zu handeln. Es ist ein Werk, welches die globalen Verhältnisse (und um die handelt es sich letzten Endes) für jedermann fassbar darstellt. Es fungiert als Band 1 der Kufsteiner Wirtschaftsstudien. Nussbaumer und Exenberger sind Professoren der Universität Innsbruck, Neuner ist Betriebswirt.

Dargestellt wird damit aber auch eindeutig die Ungleichheit der Verteilung von Besitz, Ressourcen, Kapital, Bildung, Energie, ärztliche Versorgung, Lebensmittel usw. Und eines ist (nicht erst seit dem Buch) sonnenklar: die sogenannte erste Welt lebt auf Kosten des Restes und hat nicht vor, das zu ändern.

Wir werden uns in goldenen Käfigen einsperren und unser selbst geschaffenes Recht verteidigen, solange Nahrung wegschmeißen, bis unsere letzten Arbeitssklaven verhungert sind (oder sie uns trotz des Käfigs fressen). Das denken der christlichen weißen Welt ist ein hegemoniales und durch und durch materialistisches, skrupelloses. Und natürlich ein Verlogenes.

Die trotz der verkleinerten Perspektive in großen Zusammenhängen denkenden Autoren, schrumpfen die Weltbevölkerung auf 100 Einwohner und die Kontinente in “Weiler” wie Nordamerika, Nordafrika usw. Ebenso werden die Ressourcen im Verhältnis zu diesen 100 Bewohnern des Dorfes Globo gestellt. Was damit entsteht ist eine unmittelbare Nachbarschaft der skandalösen Gegensätze. So besitzen z.B. zwei Dorfbewohner 50% der gesamten materiellen und immateriellen Vermögenswerte. Weitere acht Bewohner besitzen 35% und diese dienen als Schutzschild gegen die 40 Bewohner, die über 14% verfügen und vor allem gegen die 50 die 1% des Vermögens ihr “Eigen” nennen. Um diesen unvorstellbaren Reichtum zu schützen, gibt allein der “Weiler” Nordamerika mit seinen fünf Bewohnern mehr Geld aus als die restlichen 95.

Dass verordneter Vegetarismus gekoppelt mit dem Streichen der amerikanischen und europäischen Agrarsubventionen ein Meilenstein zur Lösung des Ernährungsproblems wäre, ist nicht neu.

Für den, welcher auf seinen Burger nicht verzichten will, folgendes Beispiel: Für den zweifelhaften Genuss eines BigMac arbeiten in Europa mit 12 Einwohnern 28 Minuten, im Subsahara-Afrika mit 10 Einwohnern 106 Minuten. Man stelle sich dazu die Form der Arbeit (Büro vs. Goldmine) vor.

Diese und viele andere Zusammenhänge und Verhältnisse in dieser kompakten und anschaulichen Form her- und darzustellen, ist eines der vielen Verdienste dieses Buchs. Viele anschauliche und leicht fassliche Grafiken bringen die Fakten schnörkellos auf den Punkt. Der Text ist kühl und kritisch und weist die Verantwortung für die Zukunft der Menschen an diese (über den Rohstoff Papier zur Genüge verfügenden 10%) zurück.

Eine der wenigen Chancen unseren Wohlstand im zurechtgerüttelten Maß über die Runden zu bringen, ist dieses Buch weltweit als Schullektüre zu empfehlen. Es bleibt zu hoffen, es wachse eine Jugend heran, die ihren Eltern in nichts mehr ähnelt.

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