Svenja Strohmeier – Unser kleines Dorf

teamglobo.net-160514-Svenja-StrohmeierE-Book: Globalgeschichte im 21. Jahrhundert. Eine Auseinandersetzung mit dem Buch “Unser kleines Dorf”
von Svenja Strohmeier

„In der Tat braucht man heute eine Karte nicht von Territorien, sondern von Transaktionen, um die globale Welt zu begreifen.“ Charles Bright und Michael Geyer haben richtig erkannt, dass es, will man die Welt als globales Dorf betrachten und verstehen, so erscheinen ökonomische und ökologische Vorgänge gewichtiger als die pure Landmasse. Die Problematik einer Globalgeschichte im zwanzigsten Jahrhundert besteht darin, die Anstrengung zu verstehen, welche aus den Versuchen entsteht, Ordnungsmuster für unsere Welt zu etablieren, die zwar eines geworden ist, aber ein widersprüchliches Ganzes bleibt – technisch und materiell integriert, sozial und kulturell jedoch tief gespalten.

Dem prominenten US-amerikanischen Zukunftsforscher Jeremy Rifkin nach haben wir es in der heutigen Welt mit drei großen Krisen zu tun: Erstens mit dem Ende der zweiten industriellen Revolution und der darauf aufbauenden Krise der Globalisierung; zweitens mit dem Ende des fossilen Zeitalters und der Energieversorgungskrise; drittens mit dem Klimawandel, der die menschliche Zivilisation bedroht. Auch Dennis Meadows, ein US-amerikanischer Systemforscher, hatte schon in den 1970er Jahren die Verknappung und damit einhergehende Verteuerung von Ressourcen als die größten Krisen angesehen. Auf ihn ist die These zurückzuführen, dass die Menschheit in den kommenden dreißig Jahren mehr Veränderungen erfahren wird als der Rest des „ereignislosen“ zwanzigsten Jahrhunderts diese hervorbrachte.

Weltgeschichte ist das Thema des 21. Jahrhunderts, unter anderem (vor allem) in den USA das am schnellsten wachsende Feld innerhalb der historischen Disziplin.[4] Dort gibt es sogar eine Reihe von „global studies“-Zentren mit „global history“-Seminaren. Andere Bezeichnungen für den Versuch, das Geschehen des Globus aufzuzeichnen und zu analysieren existieren mittlerweile en masse: „Weltsystem“, „global history“, „Geschichte der Globalisierung“ sind nur einige darunter. Eine Vielfältigkeit der Perspektiven ist hier Voraussetzung – Globalgeschichte lässt sich ohne eine Sensibilisierung für die Positionalität der Perspektiven kaum schreiben, wobei bspw. Frederick Cooper es für wichtig befindet, konkrete Netzwerke in den Blick zu nehmen und sich auch für Regionen und Menschen zu interessieren, die von diesen Netzwerken ausgeschlossen blieben.

Innerhalb dieses neuen Bereichs hat vor allem die Wirtschaftsgeschichte und ihre Studien eine besondere Prominenz erlangt. Der dortige Ausgangspunkt ist das Interesse an der Verdichtung von Beziehungen in unterschiedlichen Bereichen: ökonomische Integration, das veränderte Verhältnis von Nationalstaat und Markt, kulturelle Homogenisierung sowie Herausbildung von Differenz und Veränderung vom Zeit- und Raumverständnis durch die neuen Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten.Die Fähigkeit zur Selbstbestimmung, sowie die Fähigkeit, in einer Welt zu handeln, in welcher Gesellschaften grundsätzlich offen sind und sich über globale Verbundsysteme reproduzieren, müssen erst einmal gewonnen werden.

Aufgrund dieser Tatsachen ist es nötig, einen genaueren Blick auf die bestehenden Spannungen im System zu werfen um hieraus eventuelle Lösungen herausarbeiten zu können; diese müssen ökonomisch wie ökologisch vor allem nachhaltig sein, damit die Lebenschancen der zukünftigen Generationen nicht gefährdet werden.

Exenberger, Nussbaumer und Neuner unternehmen in ihrem Projekt und dem daraus folgenden Buch „Unser kleines Dorf“ den Versuch, veranschaulichte Erklärungen zu liefern, um „Optionen von Utopien“ zu unterscheiden.[7]

Dafür haben die Autoren die Welt in einem Gedankenexperiment „vereinfacht“ indem globale, unbekannte Realitäten auf ein Dorf, genannt „Globo“ mit 6 Weilern (den Kontinenten, oft aufgeteilt in Nord und Süd) und insgesamt 100 Einwohnern reduziert wird. Hierbei werden Daten vorwiegend aus dem Jahr 2000 genutzt. Auf den folgenden Seiten werden verschiedene Lebensbereiche in Globo veranschaulicht, auf welche noch genauer eingegangen werden soll: Geographie, Wirtschaft, Ökonomie, Bevölkerung, Landwirtschaft, Energie, Ernährung, Arbeit und Konsum der Bewohner. Wie genau Nussbaumer, Exenberger und Neuner es schaffen, die Welt als Dorf darzustellen und warum dies ein sinnvolles und dringend notwendiges Projekt darstellt, ist Gegenstand dieser Arbeit.