Hoffnungstropfen – Leseprobe

teamglobo.net-171113-Einleitung

Die vielleicht wichtigste Aussage der vorliegenden Arbeit sei ganz an den Anfang gestellt: Dieses Buch handelt nicht von einer heilen Welt, in der alles perfekt und gut ist. Nein keineswegs! Es handelt vielmehr davon, dass auch in unserer heutigen – oft als katastrophal bezeichneten – Welt eine schier unüberschaubare Fülle von erfreulichen, positiven Erscheinungen und Aktivitäten zu finden ist und sich zudem sehr viele Belange in den letzten Jahren und Jahrzehnten (zum Teil erheblich) ge- und verbessert haben. Um dies zu dokumentieren, wurden diese Hoffnungstropfen zusammengetragen. Sie sollen die Stimmungslage von Leserinnen und Lesern aufhellen bzw. zu einem kleinen „Brillenwechsel“ bewegen. Wer die Welt nur durch eine schwarze Brille sieht, sollte sich nämlich nicht wundern, dass all die Gegenstände, die er betrachtet, dunkel erscheinen. Eine andere Brille kann dagegen dabei helfen, das Beobachtete ein wenig zu erhellen bzw. scheinbar sehr Negatives zu relativieren. Das menschliche Dasein ist von einer scheinbar paradoxen Situation geprägt. Selbst wenn es uns gut, ja sogar unvergleichlich besser geht als früher, neigen wir dazu, die negativen Fakten überzubewerten. Dies zeigen auch nationale Vergleichswerte, wie sie in der Abbildung aufgelistet sind. Am ehesten glauben noch die Chinesen daran, dass die Welt besser wird. Die Meinung, dass es mit der Welt aufwärts geht, ist nämlich in China fast doppelt so verbreitet wie im Rest der Welt und damit zehnmal so häufig wie in Deutschland. Die Gründe für diese paradoxe Stimmung sind vielseitig und können hier nicht zur Gänze geklärt werden, ein paar kurze Skizzen seien dazu dennoch angeführt.

(1) Zwei Drittel der menschlichen Konversation – ob bei den Kung- Buschmännern in Botswana oder in der Mensa einer britischen Universität – beruhen nach Erkenntnissen der Anthropologen Polly Wiessner und Robin Dunbar auf Klatsch. Positive Urteile über unsere Mitmenschen machen nur zehn Prozent dieses Klatsches aus.

(2) Diese Überbetonung von negativen Ereignissen könnte auch durch die Evolution mitverursacht sein. Die Priorisierung von negativen Nachrichten machte es nämlich möglich, potenzielle Gefahren frühzeitig zu erkennen. Nur Pessimisten konnten überleben. Ein Optimist wurde sprichwörtlich gefressen, da er die Gefahr nicht oder zu spät erkannte. Die Menschheit konnte somit quasi nur durch (permanente) Überbetonung der Gefahren überleben. Der Pessimismus der Menschheit ist somit älter als die Massenmedien. Selbst heute noch bringen wir unseren Kindern bei, mehr auf Gefahren als auf Chancen zu achten. Das ist im alltäglichen Leben sicher sinnvoll und hat uns in der Evolution gute Dienste erwiesen. Es ist allerdings keine gute Strategie, um die Welt im Ganzen zu verstehen, es verstellt den Blick auf die positiven Entwicklungen um uns herum.

(3) Mit anderen Worten: “Wir sind auf Fehler fokussiert”. Sorgen, Ängste, Zweifel dominieren unsere Gedankenwelt. Wissenschaftliche Studien belegen, dass wir etwa 60.000 einzelne Gedanken täglich haben. Davon sind aber – nach sehr pessimistischen Schätzungen – lediglich drei Prozent positiver Natur. Dies zeigt sich hinein bis in kleine sprachliche Nuancen, wie Antje Heimsoeth es an einem kleinen Beispiel andeutet. Bei Rückmeldungen eines Ereignisses an Dritte – so meint sie – verwenden wir sehr oft anstatt der Formulierung “Es war gut” die Formulierung “Es war nicht schlecht”. Es bedürfte und bedarf vieler mentaler Techniken, die es möglich machen, dieses eher negative Denken zu verändern und stattdessen eine positive Grundhaltung und eine neue, positive Sicht von sich selbst und anderen zuzulassen, die wir zudem in unserem Alltag gut gebrauchen könnten.

(4) Einen weiteren wichtigen Grund zur eher negativen Weltsicht liefern die Medien. So wird ein Mensch ständig mit einer Vielzahl an Informationen bombardiert. Doch nur ein Bruchteil der Informationen kann im Gehirn verarbeitet werden. In unserem Kurzzeitgedächtnis wird daher entschieden, welche Nachrichten wichtig sind. Negative Nachrichten haben die größte Wahrscheinlichkeit berücksichtigt zu werden. Ihnen wird eine höhere Priorität als positiven Meldungen zugewiesen. Die Nachrichten konzentrieren sich auf aktuelle Ereignisse, und viele davon sind negativ. Die positiven Veränderungen hingegen entwickeln sich sehr langsam. Die Meldung – so dazu Max Roser pointiert –, dass die Kindersterblichkeit in Sambia erneut um 0,004 Prozent gesunken ist, wird es kaum in die Tagesschau schaffen. Und ähnlich – aber mit anderen Beispielen – meint dazu der Gewaltforscher Steven Pinker: Wir werden permanent in die Irre geführt. Wenn Sie die Fernsehnachrichten einschalten, erfahren Sie immer nur von Dingen, die passiert sind. Nie von Dingen, die nicht passiert sind. Sie werden keinen Reporter sagen hören: “Ich berichte live aus einer Großstadt, in der kein Bürgerkrieg herrscht.” Oder: “Ich stehe vor einer Schule, in der niemand Amok gelaufen ist.” Solange die Gewaltrate nicht auf null gesunken ist, wird es immer genügend Grausamkeiten geben, um die Abendnachrichten zu füllen. Aber es wäre ein Trugschluss, daraus statistische Trends abzuleiten. Deshalb sollten sich kritische WeltbetrachterInnen einer Sichtweise bedienen, die der ehemalige US-Präsident Bill Clinton einmal so zusammenfasste: “Follow the trend lines, not the headlines.”

Implizit geht es somit auch darum, sich durch eine oft als hoffnungslos empfundene, ja depressive Stimmung, nicht fehlleiten zu lassen. Vor allem sollte daraus nicht lethargische Inaktivität gefolgert werden. Eine  der gefährlichsten Formulierungen diesbezüglich lautet: Da kann man ohnedies nichts machen. In sehr vielen Belangen ist diese Feststellung nämlich schlichtweg falsch und drückt nur eine Gleichgültigkeit aus, gegen Missstände nichts unternehmen zu wollen. Das Auftreten gegen Missstände beginnt dabei nicht primär beim Handeln, sondern bereits beim Informieren über Tatbestände. Dann aber sollte es in der Tat auch zum Handeln kommen.

Zudem sei betont, dass die in diesem Band gesammelten positiven Ereignisse nur ein ganz kleiner Bruchteil von Hoffnungstropfen (struktureller und individueller Art) sind, die sich tagtäglich global ereignen und sehr oft auch still und leise unser Leben erleichtern. Zum Teil bemerken wir viele dieser positiven, Hoffnung spendenden, oft auch sehr kleinen Ereignisse ob unserer Gestresstheit, Abgelenktheit und Abgestumpftheit überhaupt nicht. Viel häufiger wird Positives durch die täglichen (oft negativen) Schlagzeilen völlig zugeschüttet und kommt so kaum oder nur sehr kurz an die “Oberfläche”. Und dennoch wären und sind “hoffnungsvolle” Skizzen und Berichte für unser Befinden von eminenter Bedeutung, da ein sinnvolles Leben ohne Hoffnung kaum möglich erscheint.

Wer die heutige Zeit zu sehr verdammt und mit zu viel Pessimismus sieht, läuft zudem Gefahr, die “schlechte neue” Zeit durch die Wiedereinführung der “guten alten” Zeit zu ersetzen. Und das ist wohl eine noch viel gefährlichere Variante, die vor allem auch von vielen populistischen Gruppen gefordert wird. Wollen wir wirklich wieder jene Zeiten, in denen diese populistischen Brüder (meist sind es Brüder) das Sagen hatten? Optimistisch ließe sich das aus heutiger Sicht auch so formulieren: Der innere Unfrieden der Gesellschaft muss keineswegs zwingend in Wut, Hass und Gewalt ausarten. Er kann auch produktive Kräfte freisetzen, die nach Wegen zu einer solidarischen Gesellschaft suchen. Auch diesbezüglich passiert tagtäglich eine ganze Menge.

Alle, die an der Verbesserung von gegenwärtigen Zuständen zweifeln, seien zum Abschluss dieser Einleitung an ein Wort von Albert Einstein erinnert, der einmal meinte: “Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.” 

Mit anderen Worten: Aktivismus für eine Verbesserung von Weltzuständen, und seien die Verbesserungen noch so klein, ist nie Zeitverschwendung. Möge somit das eine oder andere in diesem Buch angeführte positive Beispiel auch dazu anregen und ermuntern, noch weitere positive Aktionen zu tätigen.

Josef Nussbaumer, Stefan Neuner
Innsbruck, im ersten Regierungsjahr von Donald Trump