TT am Sonntag – Interview mit Josef Nussbaumer

Interview: Dass die Wirtschaftskrise vorbei ist, würde ich bezweifeln
Verena Langegger
TT am Sonntag, 17.12.2017, S 33

Der Wirtschaftswissenschafter Josef Nussbaumer wünscht sich ein gerechtes Steuersystem. Dieses Geld könnte künftige Herausforderungen finanzieren.

In Ihrem Buch „Hoffnungstropfen” geben Sie den Optimisten. Auch in der Wirtschaft geht derzeit der Optimismus um. Die Wirtschaft brummt, aber ist die Krise tatsächlich vorbei?

Josef Nussbaumer: Bei uns ist die Krise vorbei. Für diejenigen, die von der Krise betroffen waren, ist sie allerdings noch nicht vorbei. 50 bis 80 Mio. Menschen, die durch die Krise arm wurden, geht es immer noch schlecht. Dass die Krise vorbei ist, ist eine klassische Brillensicht aus der 1. Welt. Dass die Wirtschaftskrise vorbei ist, würde ich also bezweifeln. Aber ob sich tatsächlich jemand auskennt ? (lacht)

Sind Entwicklungen in der Wirtschaft tatsächlich so unvorhersehbar?

Nussbaumer: Ja, und sie werden immer unvorhersehbarer. Wirtschaft funktioniert ja anders als Physik. In der Physik gibt es Gesetze, die gelten in China ebenso wie in Hötting. Aber der chinesische Bauer funktioniert gänzlich anders als der Tiroler Bauer. In jeder Kultur gibt es ein anderes wirtschaftliches Verhalten. Und wir sind ja auch nicht alle gleich. Es gibt ja nicht nur gierige Menschen, sondern auch Altruisten. Es sind ja auch nicht alle faul und dumm. Wirtschaft ist also schwierig, es gibt kaum allgemein gültige Gesetze.

Also ist die Globalisierung verkehrt?

Nussbaumer: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es vermutlich eine ähnlich starke Globalisierung wie heute. Es gab etwa diverse Meta-Konferenzen. Und es wurde der Grundstein für Handel gelegt. Auch der Arbeitsmarkt war zum Teil liberaler. Es war kein Problem, wenn ein Burgenländer oder Tiroler in die USA auswandern wollte. Heute ist das unter Trump (US-Präsident, Anm.) kaum mehr möglich. Die Globalisierung ist also zweischneidig. Es gibt die Globalisierungsgewinner, allerdings auch sehr viele Verlierer.

Was würden Sie sich von der Zukunft wünschen?

Nussbaumer: Dass intensiv auf Kranke und Arme eingegangen wird. Der demographische Wandel muss beachtet werden, wir werden immer älter. Das kostet Geld. Eine CO2-Steuer wird also notwendig werden, auch eine Vermögenssteuer sollte es geben. Und auf EU-Ebene müssen Konzerne gerecht besteuert werden. Es braucht ein faires Steuersystem und ein Stopfen der Steuerschlupflöcher.